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Katharina Veerkamp

Invasive Aliens (Springkraut), Invasive Aliens (Heusenkraut) | beide 2022

Malerei, grüner Lack und Kipplack auf Alu-Wabenplatten, jeweils 140 x 115 cm

Auf den ersten Blick erscheinen Katharina Veerkamps großformatige Farbtafeln monochrom. Erst wenn man sich seitlich positioniert, lässt sich im schräg auf die hochglanzlackierten Oberflächen fallenden Licht ein Motiv erkennen. Die Silhouetten von Pflanzen, namentlich Springkraut und Heusenkraut, treten vor einem floralen Muster hervor. Was die Pflanzen gemeinsam haben ist, dass sie in der Unionsliste invasiver, gebietsfremder Pflanzen- und Tierarten der Europäischen Kommission geführt werden. Gebietsfremde Arten oder auch Neophyten wurden seit dem Beginn der europäischen Kolonialzeit und im Zuge der Globalisierung in größerer Anzahl nach Europa eingeführt. In einer Gegenwart, die durch globale Mobilität gekennzeichnet ist, können sich einige Arten sehr schnell verbreiten. Als invasiv gelten sie jedoch erst dann, wenn sie im neuen Ökosystem besonders günstige Bedingungen vorfinden, sich schnell vermehren und dabei die lokale Flora und Fauna destabilisieren können.

Das Drüsige Springkraut beispielsweise wurde als Gartenzierpflanze in den 1830er Jahren nach England importiert und in der Folge in europäischen Gärten kultiviert. Etwa zehn Jahre später wurden erste verwilderte Pflanzen beobachtet. Beheimatet auf dem indischen Subkontinent und im Himalaya ist das Springkraut als Neophyt inzwischen in nahezu ganz Europa und Nordamerika verbreitet. Durch einen Mechanismus, der schon auf leichten Druck oder Erschütterung reagiert, schleudern die Früchte ihre Samen bis zu sieben Meter weit. Die Keimfähigkeit der Samen bleibt mehrere Jahre erhalten und aufgrund seines reichlich produzierten Nektars sowie seines zuckerhaltigen Pollens wird das Springkraut auch von Honigbienen bevorzugt aufgesucht. Bei ausreichender Wasserversorgung auf Böden mit hohem Nährstoffgehalt kann es innerhalb kürzester Zeit Wuchshöhen von über zwei Meter erreichen. Die Bekämpfung des Drüsigen Springkrauts wird kontrovers besprochen, da es einerseits die einheimische Vegetation von ihren natürlichen Standorten verdrängt, andererseits jedoch als späte Bienenweide von Bedeutung ist. 

In ihrer Serie Invasive Aliens zeigt Katharina Veerkamp als invasiv gelistete Pflanzen vor floralen Mustern aus ihrer Herkunftsregion. Die sensiblen Porträts dieser Pflanzen treten erst bei passendem Lichteinfall als solche hervor und verweisen auf ihren ambivalenten Status als bedrohlich oder nützlich und in ihrer Herkunftsregion als heimisch. In den Ausbreitungsgeschichten der Pflanzen kommen Kolonial- und Handelsgeschichten zum Tragen sowie verschränkte Erzählungen von Natur und Kultur. In der Geschichte jedes invasiven Neophyten gibt es den Moment des Kontrollverlustes und der Übernahme, in der eine absichtlich oder zufällig eingeführte Art zur Bedrohung wird. Dieser Kipppunkt wird von Katharina Veerkamp durch den Einsatz von irisierenden Kipplack thematisiert, der je nach Betrachterstandpunkt die Farbe verändert und die Silhouette einer Pflanze hervortreten lässt. Welche Kontroversen gibt es um die Bekämpfung invasiver Arten und welche ideologischen Implikationen kommen darin zum Tragen? Welche Konzepte von Ökosystemen, bedrohlichen und bedrohten Arten kommen darin zum Ausdruck? 

 

www.katharinaveerkamp.com

 

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